Warum der Rote Aufbau Hamburg kein Teil der emanzipatorischen Linken sein sollte

Über Gewalt, Antisemitismus, autoritären Marxismus und Sexismus

Diese Chronik stellt die Vorfälle der letzten zehn Jahre dar und wurde zusammengestellt, um die Bewegungsgeschichte und die Kontinuität der Angriffe durch den „Roten Aufbau Hamburg“ und seine Vorgängergruppen in Hamburger Strukturen nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Bis 2015 nannte sich die Gruppierung noch „Rote Szene Hamburg“ (RSH) und war die Nachwuchsgruppe der „Sozialistischen Linken“ (SoL), einer antiimperialistischen Gruppe aus dem „Internationalen Zentrum B5“.

Trotz der Umbenennung und des Auszugs aus der B5, besteht beim Roten Aufbau eine Kontinuität – personell durch einzelne Kader und ideologisch bis heute. Das Ziel dieser Chronik ist, zu verdeutlich, warum mit dem „Roten Aufbau“ keine emanzipatorische Politik zu machen ist.

 

25.10.2009      Am Sonntag, den 25.10.2009, verhinderte eine Gruppe gewaltsam die Vorführung des Claude Lanzmann Films „Warum Israel“ im Programmkino b-movie. Sie inszenierten dabei einen ‚israelischen Check-Point’, patrouillierten in der Toreinfahrt und verweigerten den Besucher*innen Zugang zum Kino.

Mitglieder der B5, der Gruppe SoL und der „Tierrechtsaktion Nord“ (TAN) kamen zu dieser Aktion, ausgerüstet mit Mundschutz und Quarzsandhandschuhen. Während der Blockade kam es zu Schubsereien und Schlägen durch die Blockierer*innen. Im Nachhinein wurde die Blockade damit begründet, dass die Veranstalter*innen der Filmvorführung Antideutsche gewesen seien und diese wolle man nicht auf dem Hinterhof des antiimperialistischen Zentrums B5 dulden. Auch die Person, welche seit Jahren als Pressesprecher des „Roten Aufbau“ öffentlich in Erscheinung tritt, war an der antisemitischen und gewalttätigen Filmverhinderung aktiv beteiligt.

Januar 2010  Im Januar 2010 griffen Mitglieder der Gruppe „Rote Szene Hamburg“ (RSH) zwei Hamburger Antifaschist*innen in der Nähe des Hafenklang an. Die Angreifer*innen lauerten ihren Opfern auf, schlugen und traten sie, auch noch als diese bereits am Boden lagen. Erst als Unbeteiligte die Polizei alarmiert hatten, ließen die Angreifer*innen ab und flüchteten. Der genau Bericht ist hier nachzulesen: https://b-g-h-u.blogspot.com/2010/02/erneuter-uberfall-von-b5-aktivisten-auf.html. In diesem wird auch auf weitere, schriftlich undokumentierte Androhungen und Schlägereien durch Mitglieder der RSH auf dem Hamburger Berg, in der Schanze, im Gängeviertel und im Kontext antifaschistischer Reisegruppen verwiesen.

31.01.2010      In der Nacht zum Sonntag, den 31. Januar 2010, überfielen Aktivist*innen des B5 zwei Antifaschist*innen. Diese waren zu der Zeit auch im „Bündnis gegen Hamburger Unzumutbarkeiten“ gegen Antisemitismus aktiv. Das Bündnis hatte sich im Zuge der oben geschilderten Filmverhinderung gegründet. Die Schilderung des Angriffs im Wortlaut: „wurden nach dem Verlassen einer Diskothek von drei Schlägern empfangen. Die Angreifer brüllten antiisraelische Parolen, gingen mit Faustschlägen auf ihre Opfer los und traten, als diese am Boden lagen, weiter auf sie ein. Erst als es den Angegriffenen gelang, die Polizei zu rufen, flohen die Angreifer.“ (Quelle: Bündnis gegen Hamburger Unzumutbarkeiten)

24.12.2011      In der Nacht zum 24.12.11 ereignete sich ein weiterer gewalttätiger Übergriff auf drei Hamburger Antifaschist*innen durch die Macker-Gang der RSH, die ihr vermeintliches Gebiet kontrollierten. Die Betroffenen wurden in einer Seitenstraße auf dem Kiez in mehrfacher Überzahl umstellt und bedroht. Ihnen wurde gesagt, dass ‚das Viertel’ der RSH gehöre und sie sich nicht dort aufzuhalten hätten. Daraufhin wurden sie geschlagen und getreten. (allejahrewieder.blogsport.de)

März 2012     Wegen dieser und anderer gewalttätiger Übergriffe gegen andere Linke wird ein Strukturverbot für RSH, SoL und die TAN (heute „Assoziation Dämmerung”) durch die Rote Flora ausgesprochen. Die Tatsache, dass manche der von Gewalt betroffenen Linken, sich dabei nicht anders zu helfen wussten, als die Polizei hinzuzuziehen, wird als Niederlage einer politischen Szene und innerlinken Solidarität bewertet. Die ausbleibende Auseinandersetzung mit dem eigenen gewaltvollen Auftreten und der Antisemitismus, der sich in Art der Filmverhinderung von “Warum Israel” zeigte, soll nicht weiter toleriert werden. Die komplette Begründung des Plenums der Roten Flora ist auf der Webseite nachzulesen. (Rote Flora)

02.05.2015      Kurz vor der Umbenennung der RSH in „Roter Aufbau Hamburg“ organisiert sie das „Klassenfest gegen Staat und Kapital“ an der S-Bahn Sternschanze. Dort treten unter anderem die Rapper Delirium und S. Castro auf.

In deren Texte finden sich immer wieder Frauenverachtung, Sexismus, Homofeindlichkeit, Ableismus und antisemitische Verschwörungstheorien, scheinbar kein Problem für RSH.

Delirium: „warum sehn deutsche Rapper heut wie Fotzen aus?“ („Diggi“, mit Backenfutter, 2012); „du stehst schwul auf dem Strich…kriegst du schön n Schwanz in dein Arschloch rein“, „guck dich ma an Digga komplett behindert“, „und zu Hause lutscht du Schwanz bei deinem Vater im Schoß“, „deutscher Rap hat Aids mir egal ich fick ihn“ („Ja Sichi“, 2013) Castro: „Rapper sind so muskulös, weil sie mein Eiweiß schlucken“ („Punchline Massaker“, 2012); „sauge das Land aus, wie ein Parasit, guten Appetit“, „wie die Medien dirigiern, Rezeptivität unterwandern“, „Palästina Kolonie der Vampire die Hölle brennt“ („Venganza“, 2014)

29.05.2015      Die RSH benennt sich um in „Roter Aufbau Hamburg“. Dazu schreiben sie auf Ihrer Internetseite u.a.: „Wir knüpfen an unsere Erfolge aus den letzten Jahren an, in denen wir viele Menschen zu Aktionen bewegt, der Jugend sozialistische Bildung vermittelt und dem einen oder anderen politischen Gegner entgegengetreten sind“. Desweiteren wird dort zwar eingestanden auch Fehler gemacht zu haben, sie problematisieren hier aber ausschließlich ihr “sektiererisches Verhalten”, weswegen es “einen neuen Organisationsansatz” bräuchte. Die Abkehr von der B5 und der SoL beinhaltet weder eine konkrete Auseinandersetzung, noch eine Distanzierung von den Gewalttaten gegen andere Linke oder ihrem antisemitischen Auftreten. Vielmehr werden weiterhin Drohungen ausgesprochen.

07.07.2015      So droht der besagte Pressesprecher beim Roten Aufbau Hamburg nur kurze Zeit später öffentlich auf seinem Facebook Profil: „[…] ist wieder am start, paar antideutsche Feiglinge wollten rumopfern, aber sie werden immer noch im real life oder im internet geklatscht (…) gibt Hurensöhne(-töchter.- und *) keine Chance!“

 

21.07.2015      In Bezug zu einem Post der Facebookseite „Kommunistische Hochschulpartei der Universität Hamburg“, die dazu aufruft an den Gegenaktivitäten zum Al-Quds Tag am 10.7.2015 teilzunehmen, schreibt der Pressesprecher des Roten Aufbaus öffentlich in einem Kommentar dazu auf Facebook: „Also der Zionismus ist eine abgrundtief rassistische Idee, in dem alle anderen keinen Platz haben.“

Zwei Tage später schreibt er unter demselben Post: „Wenn du so sehr für Israel einstehen willst, kann man sich gern auf dem Acker treffen, denn Rassisten müssen auf’s Maul bekommen, egal in welcher Subkultur sie sich tummeln!“

 

05.05.2016      Dem Roten Aufbau Hamburg wird vom Vorbereitungskreis des alternativen Hafengeburtstags ein Stand in der Hafenstraße verweigert. Der Grund hierfür sind Vorfälle aus dem Vorjahr, kurz vor Ihrer Umbenennung. Von Seiten der RSH wurden diverse Absprachen nicht eigehalten. Nach mehreren erfolglosen Ansprachen sahen sich die Organisator*innen des alternativen Hafengeburtstags dazu gezwungen den Strom des Standes der RSH abzuschalten. Aus dem Umfeld des Standes wurden daraufhin zwei Personen der Hafenstraße gewaltsam angegriffen. Wegen der personellen Kontinuitäten zum Roten Aufbau wird diesem auch seither ein Stand verwehrt und ihre weitere Beteiligung ausgeschlossen. Seitdem betreiben sie ihren Stand beim Hafengeburtstag außerhalb des von der Hafenstraße organisierten alternativen Teils.

06.07.2017      In dem vom Roten Aufbau, attac und der Interventionistischen Linken getragenen Camp wird während des G20 ein „Internationalistisches Barrio“ errichtet. Hier sind BDS Berlin und F.O.R. Palestine vor Ort, die für diesen Tag eine Veranstaltung unter dem Titel „_Gegen Kapital und Krieg – Intifada bis zum Sieg_“ ankündigen.

Exkurs: Der zuletzt dokumentierte Übergriff durch F.O.R. Palestine war am 21.4.2017 als eine Passantin die Annahme eines Flugblatts ablehnte und sich kritisch äußerte. Daraufhin wurde sie als „Zionistenfotze“ und „blöde Schlampe“ beschimpft, angespuckt und bedroht. Die Gruppe griff im November 2016 im Zuge einer BDS-Aktion Personen an, die ein Transparent gegen Antisemitismus trugen (Belltower News).

Wenngleich zwei Kader des Roten Aufbau bereits 2015 in einem taz-Interview offiziell konstatierten sich nicht mehr näher mit dem Nahost-Konflikt zu befassen (taz), beziehen sie nicht nur durch informelle Posts sondern durch ihre Kooperation mit einschlägigen Gruppen klar Stellung, die offenbaren, wie es um ihre Auseinandersetzung mit Antisemitismus bestellt ist.

01.05.2018      Der Rote Aufbau Hamburg organisiert zusammen mit der maoistischen Straßengang „Revolutionäres Kollektiv Flensburg“ (RKF) und ihrem Gruppierungsvetter „Roter Aufbau Burg” (RAB) eine Demonstration zum Tag der Arbeit. So schreibt der Rote Aufbau Hamburg einen Tag später auf Facebook: „Wir bedanken uns insbesondere bei den auswärtigen Strukturen für ihre Unterstützung: Roter Aufbau Burg, Revolutionäres Kollektiv Flensburg, Rotes Kollektiv Kiel den Göttinger GenossInnen und den vielen anderen…“

Exkurs RAB: Am 16.09.18 auf der Demonstration "Rassistische Hetzjagden verhindern, bevor sie passieren!", stimmen Kader des Roten Aufbau Burg zusammen mit anderen Gruppierungen "Intifada bis zum Sieg"-Sprechchöre an. Darauffolgend wird der mit einem Transpi "Gegen jeden Antisemitismus" ausgestattete Lauti von diesem Personenkreis angegriffen. Menschen, die sich schützend vor den Lauti stellten, werden getreten und geschlagen, während der Versammlungsleiter persönlich bedroht wird. Im Nachgang wird ein anderer Demoteilnehmer homophob beschimpft. (indymedia)
Exkurs RKF: Das RKF bekennt sich ausdrücklich zu innerlinker Gewalt und beansprucht in Macker-Manier ganze Stadtteile als "ihren Kiez". Es kam regelmäßig zu körperlichen Übergriffen. So zum Beispiel am 15.5.2018, als Mitglieder des RKF Bewohner*innen des linken Wohnprojekts Senffabrik angriffen und dabei u.a. „Jetzt gibt's Schwanz, ihr Fotzen“ riefen. Zuletzt wurden im Februar Aktivist*innen des linken Versandhandels „Black Mosquito“ von RKF-Kadern angegriffen. In der Nacht vom 12. auf den 13.3.2019 wurde der Laden mit Farbe beschmiert. Auf dem Blog (rkwatchfl) wird der notwendige Kooperationsausschluss aus politischen Zusammenhängen genauer erläutert.

Der Rote Aufbau scheint allerdings weiterhin keine Berührungsängste mit autoritären Schlägerbanden zu haben.

27.08.2019      Der Rote Aufbau bewirbt auf seiner Facebookseite das „Ausgeladen“-Festival. Hierbei handelt es sich um eine Veranstaltung für Künstler*innen, die wegen Antisemitismus- oder Mackervorwürfen in linken Clubs nicht auftreten dürften. Passend dazu hält unter anderem eine Jugendwiderstand-Kameradin aus NRW eine Rede über die Repression gegen den JW-Berlin.

Mit ihrer Zeitschrift „Melode & Rhythmus“ ebenfalls in das Festival involviert, ist eine alte Bekannte: Susann Witt-Stahl, die bereits 2009 mit ihrer Gruppe TAN bei der Filmverhinderung dabei war. Hier schließt sich ein Kreis und es zeigt sich erneut, dass vonseiten des Roten Aufbaus Hamburg keine Distanzierung von den hier genannten Personen oder Inhalten stattgefunden hat.

10 years in the making

Über eine Spanne von zehn Jahren gab es Einschüchterungen, Bedrohungen und körperliche Angriffe auf vermeintliche „antideutsche“ Linke durch Personen aus dem anti-imperialistischen Spektrum, unter Beteiligung von heutigen Kadern des „Roten Aufbau Hamburg“.

Der Rote Aufbau, der sich selbst ungebrochen in der Tradition des orthodoxen Marxismus begreift und dessen “Schritte den Weg weiter gehen müssen, den etwa die ehemalige Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) und die Sowjetunion bereits eingeschlagen habe” (http://roter-aufbau.de/selbstverstaendnis/), greift dabei weiterhin auf ausgemachte Freund/Feind-Bestimmungen zurück. So sind Antideutsche scheinbar nicht nur die Antifaschist*innen, die sich israelsolidarisch äußern, sondern auch solche, die von einer orthodox-marxistischen Analyse der Kapital- und Klassenverhältnisse abweichen. So werden solche “intellektuellen Dummschwätzer” als Apologet*innen der „Kapitalisten“ verunglimpft und im Zweifel in die ideologische Nähe des NS gerückt: „Die Antideutschen entsorgen den Antikapitalismus, indem sie aus dem Kapitalisten auch nur ein Opfer des Systems machen, der nur mitspielt und den man deshalb nicht im Klassenkampf bekämpfen dürfte. Dies ähnelt dem Bild der Volksgemeinschaft der Nazis, wo Arbeiter und Kapitalist im gleichen deutschen Boot sitzen.“ (http://roter-aufbau.de/wie-teile-der-radikalen-linken-zum-klassenfeind-ueberliefen/). Aktuell lässt sich so zwar eine Abkehr von körperlicher Gewalt gegen “antideutsche” Linke feststellen, jedoch bleiben die ideologischen Voraussetzungen für diese Gewalt bestehen. Klassenfeind bleibt Klassenfeind. Und diesem gilt es nach wie vor mit aller Härte zu begegnen.

Die Erkenntnis, dass man sich selbst durch das eigene autoritäre Auftreten in die politische Isolation getrieben hat, und es einer “Idiotie” gleichkommt zu “30 auf der Reeperbahn zum bewaffneten Volkskrieg” aufzurufen (taz), bleibt wohl der maßgebliche Punkt, warum mittels Namensänderungen und “neuen Organisationsansätzen” versucht wird, dezidiert lokale Themen zu nutzen, um wieder anschlussfähig zu werden. Dies ist ein Strategiewechsel, kein Bruch mit Grundsätzen. So bleibt festzuhalten: Es hat bis heute keinerlei inhaltliche und konkrete Distanzierung des Roten Aufbau und seiner Kader von den Taten stattgefunden.

Solange dies nicht geschieht, macht eine Diskussion darüber, ob der Rote Aufbau überhaupt wieder Teil einer emanzipatorischen Linken sein kann, keinen Sinn.